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BAV-Strategie mit Lücken und TückenMedienmitteilung vom 11.05.2017: BAV-Strategie zur Umsetzung des BehiG im ÖV

Das Bundesamt für Verkehr (BAV) hat heute an einem Mediengespräch die Strategie zur Umsetzung des Behindertengleichstellungsgesetzes (BehiG) präsentiert. Diese birgt die Gefahr, dass rund ein Viertel der Bahnhöfe nicht barrierefrei umgebaut wird.

Seit 2004 ist das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) in Kraft. Es fordert unter anderem, dass Reisende mit Behinderungen den ÖV bis 2023 selbstständig nutzen können. Es dauerte jedoch 13 Jahre, bis das BAV sich die Mühe nahm, eine entsprechende Strategie zu erarbeiten.

Inclusion Handicap hatte sich am Vormittag mit der Direktion des BAV getroffen und grosse Vorbehalte an der Planungshilfe angebracht, welche Bestandteil der Strategie ist. «Das BAV hat uns verbindlich zugesichert, dass die Planungshilfe auf ihre Vereinbarkeit mit dem BehiG überprüft und bei Bedarf angepasst wird, bevor sie die Transportunternehmen anwenden müssen», sagt Pascale Bruderer, Präsidentin von Inclusion Handicap.

Rund ein Viertel der Bahnhöfe wird nicht umgebaut

Diese Planungshilfe wurde vom Verband öffentlicher Verkehr (VöV) unter der Leitung der SBB entwickelt und wird nun vom BAV übernommen. Inclusion Handicap kritisiert nach heutigem Stand drei Punkte:

  • Es besteht die Gefahr, dass es für Bahnhöfe mit weniger als 540 Passagiere pro Tag kaum finanzielle Unterstützung gibt. Rund ein Viertel bzw. 450 Bahnhöfe werden nicht behindertengerecht sein.
  • Weiter berücksichtigt die Planungshilfe den Faktor Zeit nicht. Bei einer frühzeitigen Planung hätten die Transportunternehmen bei Umbauten, die sowieso getätigt worden sind, die Barrierefreiheit sicherstellen können. Es entsteht der Verdacht, dass diese Versäumnisse auf Kosten der Menschen mit Behinderungen kaschiert werden.
  • Schliesslich gewichtet die Planungshilfe den Vollausbau eines Bahnhofes als Massstab zu stark. Günstige Teilanpassungen werden zu wenig in Betracht gezogen, obschon dies durch die entsprechende Verordnung (VböV) gefordert wird.

Strategie muss angepasst werden

Die UNO-Behindertenrechtskonvention (UNO-BRK) verlangt, dass die Behindertenorganisationen bei der Erarbeitung von relevanten Strategien miteinbezogen werden. «Die Behindertenorganisationen wurden vom BAV jedoch erst heute informiert. Dies, obwohl wir frühzeitig und wiederholt interveniert hatten», hält Bruderer fest. Inclusion Handicap wird den Prozess weiterhin kritisch begleiten und auf den vom BAV zugesicherten Miteinbezug bestehen.

Mobilität ist ein Schlüsselfaktor für die individuelle Selbstbestimmung und gesellschaftliche Inklusion. «Es geht hier nicht einfach um Wünsche», so Bruderer, «sondern um verfassungsmässige und gesetzliche Ansprüche von Menschen mit Behinderungen, die es bis Ablauf der langen Umsetzungsfrist von 20 Jahren umzusetzen gilt. «Wir pochen dabei nicht auf unverhältnismässige Massnahmen, die nicht bezahlbar sind. Im Gegenteil: Wir wollen Hand bieten zu Lösungen, die das Gesetz in vernünftiger Weise umsetzen.»

Gutachten in Auftrag gegeben

Inclusion Handicap hat zwecks Klärung der Vereinbarkeit der Planungshilfe mit dem BehiG und der UNO-Behindertenrechtskonvention (UNO-BRK) ein Rechtsgutachten bei M. Schefer, Prof. an der juristischen Fakultät der Universität Basel, in Auftrag gegeben.