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Durchbruch zum selbstbestimmten Leben von Menschen mit Behinderungen? Medienmitteilung vom 09.05.2018: Bericht des Bundesrates zur Behindertenpolitik

Der Bundesrat hat heute einen wegweisenden Bericht zur Behindertenpolitik verabschiedet. Erstmals anerkennt er, dass es konkrete Massnahmen braucht, damit Menschen mit Behinderungen autonom am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. «Der Bericht ist ein Meilenstein und zeigt auf, wie Gleichstellungs- und Sozialpolitik vereint werden können», sagt Pascale Bruderer, die Präsidentin von Inclusion Handicap. «Entscheidend bleibt jedoch, was aus diesem ersten Schritt konkret resultiert.»

Der Bericht enthält zentrale Grundsätze, auf denen eine Behindertenpolitik der Schweiz aufzubauen ist: Die volle, autonome und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen wird als Oberziel festgehalten, der Fokus soll auf die Kompetenzen der Betroffenen gerichtet sein, und das «selbstbestimmte Leben» ist eines der prioritären Handlungsfelder. «Der Bundesrat greift Themen auf, für die sich Menschen mit Behinderungen schon seit Jahrzehnten engagieren», sagt Bruderer. «Wir erachten den Bericht als zentralen ersten Grundstein, auf dem das Fundament gebaut werden muss. Aber nun haben wir erstmals überhaupt einen Plan. Dieser Arbeit muss sich die Politik jetzt annehmen.» Inclusion Handicap hatte im Projektausschuss zur Behindertenpolitik mitgewirkt.

Der Schattenbericht zeigt Wirkung

Inclusion Handicap hatte im Schattenbericht zum Stand der Umsetzung der UNO-Behindertenrechtskonvention (UNO-BRK) für alle Lebensbereiche Handlungsbedarf eruiert – und der Bundesrat hat erfreulicherweise einiges davon aufgenommen: von Diskriminierungen bei der Stellensuche und Existenzängsten von Personen, die von IV und Ergänzungsleistungen abhängig sind; über die gesetzliche Frist zum hindernisfreien ÖV, die nicht eingehalten wird; bis zur freien Wahl des Wohnortes (Heime statt z.B. betreutes Wohnen) oder dem Ausschluss von den politischen Rechten u.v.m. Es ist erfreulich, dass der Bericht des Bundesrats nun insbesondere anerkennt, dass zur konsequenten Gleichstellung eine konkrete Strategie fehlt.

Diese Strategie und die damit verbundene Stärkung der institutionellen Voraussetzungen hatte Inclusion Handicap immer wieder gefordert. Dies ist die Basis für einen echten Kurswechsel. Erfreulicherweise nahm der Bundesrat dies auf: Die Zusammenarbeit mit den Kantonen und zwischen den Departementen soll verbessert werden – unter Einbezug der Menschen mit Behinderungen und ihren Organisationen. Dies ist zentral, denn Behindertengleichstellung ist ein Querschnittsthema und umfasst alle politischen Bereiche. «Von einem konkreten Massnahmenplan ist auch der vorliegende Bericht zwar noch weit entfernt», stellt die Vize-Präsidentin von Inclusion Handicap, Verena Kuonen, fest. «Aber es werden die institutionellen Voraussetzungen geschaffen, damit eine umfassende Behindertenpolitik realisiert und entwickelt werden kann. Dazu müssen aber zwingend alle dafür notwendigen Ressourcen bereitgestellt werden.»

Selbstbestimmtes Leben: Zentrales Element für die Gleichstellung

Der Bundesrat setzt inhaltliche Schwerpunkte, die im Rahmen der Behindertenpolitik prioritär angegangen werden: Arbeit, selbstbestimmtes Leben und Barrierefreiheit durch Digitalisierung. Insbesondere der Bereich «Selbstbestimmtes Leben» ist bedeutend, da dies die Gleichstellung im Kern trifft. Es geht um ganz persönliche Punkte, die eigentlich schon lange selbstverständlich sein müssten: Jede Person soll frei entscheiden können, wie und wo sie wohnt, oder welcher Beschäftigung sie nachgehen will. «Die dafür nötige Flexibilisierung kommt nicht nur den Betroffenen selber zu Gute. Sie hat auch aus volkswirtschaftlicher Sicht enormes Potenzial, Kosten einzusparen», sagt Bruderer. Die Priorisierung ist angesichts des Umfangs der Aufgabe und der Vielfältigkeit der Themen richtig. Für Inclusion Handicap ist jedoch klar, dass auch die übrigen Lebensbereiche nicht ausser Acht gelassen werden dürfen.

Dieser Bericht des Bundesrates kann durchaus als Startschuss für eine kohärente Behindertenpolitik betrachtet werden. Entscheidend sind jedoch die nächsten Schritte, die Strategie und die politische Umsetzung. Inclusion Handicap wird diesen Prozess weiterhin eng begleiten, mitarbeiten und ein wachsames Auge auf die Entwicklungen werfen.