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Verbandsbeschwerderecht akut gefährdetMedienmitteilung vom 04.04.2023: Änderung Eisenbahngesetz

Die vom Bundesrat vorgeschlagene Revision des Eisenbahngesetzes könnte für Menschen mit Behinderungen drastische Folgen haben: Die Überprüfung der autonomen Benutzbarkeit von Zügen wäre nicht mehr gewährleistet. Zudem besteht beim vorgesehenen Bewilligungsverfahren durch die Europäische Eisenbahnagentur kein Verbandsbeschwerderecht mehr. Die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Ständerats (KVF-S) hat dieser Änderung am 03.04.2023 zugestimmt.

Das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) räumt den Behindertenorganisationen das Verbandsbeschwerderecht bei Bewilligungen von Zügen durch das Bundesamt für Verkehr (BAV) ein. Zweck des Verbandsbeschwerderechts ist die Kontrolle über die Einhaltung des BehiG. Die teilweise Gutheissung der Beschwerde von Inclusion Handicap gegen die FV-Dosto-Züge der SBB durch das Bundesgericht von Ende 2021 zeigt die Wichtigkeit dieses Verbandsbeschwerderechts. Das BAV muss als Folge des Urteils aktuell prüfen, ob der Eingangsbereich des Zuges die Autonomie von Menschen mit Behinderungen gewährleistet.

Keine Überprüfung durch BAV mehr vorgesehen

Im Rahmen der Umsetzung des 4. EU-Eisenbahnpakets ist nun eine Änderung des Eisenbahngesetzes geplant, welche dieses Recht der Behindertenverbände akut gefährdet: Interoperable Schweizer Züge, die auch ins Ausland fahren (wie z.B. der FV-Dosto), sollen zukünftig nicht mehr vom BAV, sondern ausschliesslich von der Europäischen Eisenbahnagentur (ERA) bewilligt werden. Entsprechend würde nur das EU-Recht gelten. Mit drastischen Folgen: Im Gegensatz zum Schweizer Behindertengleichstellungsrecht gewährleistet das EU-Recht die Autonomie von Menschen mit Behinderungen nicht. «Der nächste FV-Dosto könnte von Inclusion Handicap nicht mehr wie vom BehiG vorgesehen angefochten werden; die ERA müsste nicht kontrollieren, ob Menschen mit Behinderungen den Zug autonom benutzen können», sagt Maya Graf, Co-Präsidentin von Inclusion Handicap und grüne Ständerätin BL. Damit missachtet die vorgesehene Änderung nicht nur den Willen des Gesetzgebers. Sie ignoriert auch das Bundesgericht: Dieses hielt im erwähnten FV-Dosto-Urteil unmissverständlich fest, dass bei der Genehmigung von Zügen die Frage der Autonomie überprüft werden muss.

Andere Lösungen sind möglich

Der Bundesrat begründet diese Anpassung damit, dass die Schweiz keine Möglichkeit habe, das Verbandsbeschwerderecht des BehiG im EU-Eisenbahnrecht zu verankern. Andere Lösungen sind aber möglich: Zum Beispiel die Verankerung einer zusätzlichen Überprüfung durch das BAV in Bezug auf das Schweizer Behindertengleichstellungsrecht im Schweizer Eisenbahngesetz. Inclusion Handicap wird sich für eine solche zusätzliche Überprüfung einsetzen. Ohne zusätzliche Überprüfung werden der Rechtsschutz von Menschen mit Behinderungen und deren Recht auf autonome Nutzung des öffentlichen Verkehrs massiv geschwächt.

Auskunft

Maya Graf, Co-Präsidentin Inclusion Handicap und Ständerätin Grüne BL
079 778 85 71 

Caroline Hess-Klein, Abteilungsleiterin Gleichstellung Inclusion Handicap
076 379 94 72 /