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Starkes Signal aus dem Kanton Freiburg: Gesetz verlangt Autonomie im ÖV Urteil des Kantonsgerichts Freiburg: Bushaltestelle «Briegli» in Düdingen

Das Kantonsgericht Freiburg hat eine Beschwerde von Inclusion Handicap vollumfänglich gutgeheissen. Die Bushaltestelle «Briegli» in Düdingen ist nicht konform mit dem Behindertengleichstellungsrecht. Das Gericht hält im zweitinstanzlichen Urteil fest: Bundesverfassung und BehiG verlangen, dass Menschen mit Behinderungen den öffentlichen Verkehr selbstständig benutzen können. Das Urteil des Kantonsgericht Freiburg ist ein starkes Signal für die Behindertengleichstellung im ÖV.

Die Beschwerde von Inclusion Handicap betraf die Bushaltestelle «Briegli» an der Duensstrasse in Düdingen FR. Das Urteil hat Signalwirkung für den barrierefreien ÖV im ganzen Kanton Freiburg und darüber hinaus für die ganze Schweiz. Das Gericht hat die Beschwerde vollumfänglich gutgeheissen und den Fall an die Vorinstanz, die kantonale Raumplanung-, Umwelt- und Baudirektion (RUBD), zurückgewiesen. Es bestünden erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des ermittelten Sachverhaltes, heisst es im Urteil. Mit anderen Worten: Die RUBD hat gar nicht abgeklärt, ob Menschen mit Behinderungen den Bus selbstständig nutzen können oder nicht.

22 cm Perronhöhe als Standard

Im vorliegenden Fall ging es darum, dass die Perronhöhe der Bushaltestelle 16 Zentimeter beträgtDies bedeutet, dass der Bus sich derart stark absenken muss (sog. «Kneeling»), dass die Steigung zu hoch ist, damit namentlich Menschen im Rollstuhl selbstständig einsteigen können. In anderen Kantonen und Städten hat sich eine Perronhöhe von 22 cm durchgesetzt, welche bei gerader Strasse einen niveau-gleichen Ein- und Ausstieg erlaubt. Weshalb ausgerechnet Freiburg eine andere Praxis als der schweizweite Standard haben soll, ist auch für das Kantonsgericht nicht ersichtlich.

Oberstes Ziel: Autonomie für Menschen mit Behinderungen

Das Gericht hielt fest: Das oberste Ziel des BehiG ist, dass sich Menschen mit Behinderungen «unabhängig und ohne fremde Hilfe mit dem öV fortbewegen» können, was «Verfassung und Gesetz implizit» und die Verordnung «explizit» fordert. Die RUBD muss gemäss Kantonsgericht nun überprüfen, ob die die Verpflichtung, wonach Menschen mit Behinderungen den ÖV autonom nutzen können, eingehalten ist. Dies explizit selbst dann, wenn technische Vorschriften auf Verordnungsebene sowie die anwendbaren Normen erfüllt sind.

Dies ist auch ein Hauptargument von Inclusion Handicap im Verfahren betreffend den neuen Doppelstockzügen (Dosto) der SBB, das vor Bundesgericht hängig ist: Menschen im Rollstuhl können aufgrund der 15-prozentigen Steigung, welche gemäss Norm zulässig ist, nicht selbstständig aussteigen. Zum Vergleich: Die Steigung beim Bus in Düdingen beträgt (ja nach Neigung der Strasse) zwischen 5.5 und 13 Prozent.

Besonders erfreulich ist daneben, dass für das Kantonsgericht Wirtschaftlichkeitsüberlegungen nunmehr einer geringen Bedeutung zukommen, da nur noch drei Jahre der 20-jährigen Frist verbleiben. Bis 2023 muss gemäss BehiG der ÖV barrierefrei zugänglich sein.

Wichtiges Verbandsbeschwerderecht

Inclusion Handicap ist hoch erfreut über das Urteil. Es ist ein starkes Signal für die Autonomie von Menschen mit Behinderungen bei der Benutzung des ÖV, für die Behindertengleichstellung in der Schweiz insgesamt und nicht zuletzt auch für Inclusion Handicap, der sich unerbittlich für eine konsequente Umsetzung des BehiG einsetzt. Der Dachverband wird auch in Zukunft das Instrument des Verbandsbeschwerderechts gezielt einsetzen, um Grundsatzfragen des Behindertengleichstellungsrechts zu klären und dadurch die Rechte von Menschen mit Behinderungen nachhaltig zu stärken.