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Handicap und Politik 08/2022

Handicap und Politik: Letzte Ausgabe 2022 – wir wünschen allen frohe Festtage!

Zum Jahresende in Handicap und Politik 08/2022: Viele erfolgreiche Geschäfte in der Wintersession, mediale Kritik an ÖV-Unternehmen nach Veröffentlichung des BAV-Standberichts zur BehiG-Umsetzung – und ein filmischer Beitrag zum Internationalen Tag von Menschen mit Behinderungen von Reporter:innen ohne Barrieren.


Rückblick auf die Wintersession: Nationalrat

Mehr Schutz vor häuslicher und sexueller Gewalt für Menschen mit Behinderungen

Menschen mit Behinderungen sollen besser vor häuslicher und sexueller Gewalt geschützt werden. Dies fordert nach dem Ständerat nun auch der Nationalrat. Damit stellt sich das Parlament gegen den Bundesrat, der die Ablehnung der Motion beantragte. Die Motion fordert, dass der Bundesrat im Rahmen der Istanbul-Konvention, gemeinsam mit den Kantonen und den Behindertenorganisationen mehr Programme umsetzt. Artikel 4 der Istanbul-Konvention verpflichtet die Vertragsstaaten zu einer inklusiven und nicht diskriminierenden Umsetzung der Konvention. Es sind folglich auf Menschen mit Behinderungen zugeschnittene Massnahmen sowie barrierefrei zugängliche Angebote und Beratungen vorzusehen. Die geforderten Programme sollen bestehende Lücken schliessen und den Zugang zu den Massnahmen für Menschen mit Behinderungen gewährleisten – unabhängig von Wohnsituation, Geschlechteridentität, sexuellen Ausrichtung, Alter und Behinderung.


Nationalrat stimmt Überarbeitung unfairer Tabellenlöhne zu

Der Nationalrat folgte am 14. Dezember seiner Sozialkommission und stimmte der Motion der SGK-N für Invaliditätskonforme Tabellenlöhne mit der anlässlich der Herbstsession beschlossenen verlängerten Umsetzungsfrist zu. Ein wichtiger Entscheid und Erfolg für Menschen mit Behinderungen. Der Bundesrat muss nun bis Ende 2023 eine überarbeitete Bemessungsgrundlage implementieren. Inclusion Handicap fordert, dass dabei auf Lösungsvorschläge aus der Wissenschaft abgestellt wird. Mit dem Modell der Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Gabriela Riemer-Kafka und Dr. Urban Schwegler und dem empirisch basierten Vorschlag vom Büro BASS liegen zwei Modelle vor, um den Anspruch auf eine IV-Rente präziser zu eruieren. Inclusion Handicap bleibt dran.


Hilflosenentschädigung für Kinder, deren Heimaufenthalt durch Eltern finanziert wird, soll nicht mehr gekürzt werden

Wird die Heimübernachtung von Kindern durch die Eltern finanziert, sollen die Kinder nach dem Willen des Nationalrats Anspruch auf eine volle Hilflosenentschädigung haben. Der Nationalrat hat die entsprechende Motion der SGK-N deutlich mit 154 zu 23 Stimmen angenommen. Die Kürzung der HE ist bei selbstfinanzierten Heimaufenthalten nicht gerechtfertigt, da die Eltern dort - im Vergleich zu Eltern von Kindern in einer Institution zur Durchführung von Eingliederungsmassnahmen - die gesamten Kosten für Pflege und Betreuung tragen. Für Inclusion Handicap ist klar, dass Hürden für die Nutzung von Entlastungsangeboten abgebaut werden sollten – unter anderem, um die Erwerbsfähigkeit der Eltern aufrechtzuerhalten und auf lange Sicht Fremdplatzierungen zu verhindern. Das Geschäft geht nun in den Ständerat, Inclusion Handicap hofft, dass dieser die Dringlichkeit des Anliegens ebenfalls erkennt und nachzieht.


Das selbstbestimmte Wohnen im AHV-Alter soll verbessert werden

Geht es nach dem Willen des Nationalrats sollen die Bedingungen für das selbstbestimmte Wohnen in Zukunft verbessert werden. Er hat am 15. Dezember einer Motion der SGK-N zugestimmt, die mit einer Erweiterung der von der AHV vergüteten Hilfsmittel für Menschen mit Behinderungen Heimaufenthalte verhindern soll. Am gleichen Tag gab der Nationalrat auch für das Postulat «Ambulant vor stationär für Menschen mit Behinderungen nach Erreichen des AHV-Alters durch Zugang zu Assistenzbeiträgen» grünes Licht. Dieses fordert den Bundesrat auf, zu prüfen, inwieweit die Ausrichtung von Assistenzbeiträgen auch an Personen im Rentenalter zu einer deutlichen Verbesserung der sozialen Absicherung führen könnte. Inclusion Handicap begrüsst sehr, dass der Nationalrat dem aufgrund der demografischen Entwicklung zu erwartende Bedeutungszuwachs von Behinderungen im Alter Rechnung trägt und mit dem Entscheid einen wichtigen Schritt in Richtung Selbstbestimmung ermöglicht.


Rückblick auf die Wintersession: Ständerat

Ständerat schafft bei BVG-Reform Differenz zum Nationalrat

Bei der BVG-Reform haben sowohl Nationalrat als auch Ständerat die Senkung des Mindestumwandlungssatzes von 6,8% auf 6,0% beschlossen. Bei der Frage, wie diese Senkung kompensiert werden soll, verbleiben aber noch Differenzen zwischen den zwei Räten. Für Inclusion Handicap wichtig: Eine der verbleibenden Differenzen betrifft den Rentenzuschlag für Invalidenrenten. Nachdem der Nationalrat diesen gestrichen hatte, hat sich der Ständerat – wie ursprünglich auch vom Bundesrat vorgeschlagen – dafür ausgesprochen, dass auch Personen mit einer Invalidenrente einen Rentenzuschlag erhalten. Inclusion Handicap ist dezidiert der Ansicht, dass Invaliden- und Altersrenten beim Rentenzuschlag gleichbehandelt werden müssen, alles andere wäre nicht akzeptabel. Der Dachverband erwartet deshalb vom Nationalrat, dass er sich im Rahmen der Differenzbereinigung ebenfalls für einen Rentenzuschlag für Invalidenrenten ausspricht.


Teuerungsausgleich bei AHV-/IV Renten und EL wird Tatsache

Bezüger:innen von AHV- und IV-Renten sowie von Ergänzungs- und Überbrückungsleistungen erhalten per 1. Januar 2023 definitiv den vollen Teuerungsausgleich. Nachdem der Nationalrat im vergangenen September bereits die Motion «Kaufkraft schützen» der Mitte-Fraktion angenommen hatte, zog in der Wintersession auch der Ständerat nach. Der Bundesrat wird zudem beauftragt, bis Anfang 2023 ein Konzept vorzulegen, wie die ordentlichen Renten bei einer überdurchschnittlichen Teuerung regelmässig angepasst werden können. Der Erhaltung der Kaufkraft ist für Rentenbezüger:innen zentral, denn ihre Renten reichten schon vorher kaum, um einen angemessenen Lebensstandard zu gewährleisten. Für Inclusion Handicap deshalb ein wichtiger und erfreulicher Entscheid 


Wichtiger Schritt für die gesetzliche Anerkennung der Gebärdensprachen

Das Parlament beauftragt den Bundesrat, ein Gesetz zur rechtlichen Anerkennung und Förderung der drei Schweizer Gebärdensprachen auszuarbeiten. Der Ständerat hat die Motion der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur als Zweitrat angenommen. Damit werden die Voraussetzungen geschaffen, um die Chancengleichheit und den Zugang zum Arbeitsmarkt, dem Gesundheitssystem, zur Bildung oder der Kultur zu garantieren. Mit dem Entscheid macht das Parlament einen grossen Schritt in Richtung Inklusion der rund 10'000 gehörlosen Menschen in der Schweiz, die eine der drei Gebärdensprache als Erstsprache nutzen. Nun ist der Bundesrat am Zug.


Entschuldung der Invalidenversicherung: Bund soll eine Lösung finden

Geht es nach dem Ständerat, soll der Bundesrat bis Ende 2023 aufzeigen, wie der Bund die Darlehensschuld der IV gegenüber der AHV übernehmen oder tilgen könne. Aktuell hat die IV gegenüber der AHV immer noch eine Darlehensschuld von rund CHF 10 Mrd. Bezüglich der Lösungsansätze ist die Motion offen formuliert. Für Inclusion Handicap ist klar, dass die Tilgung oder Schuldübernahme durch den Bund in keinem Fall zu mehr Leistungsabbau bei der IV führen darf. Gegen eine solche Stossrichtung würde sich der Dachverband entschieden wehren. 


Welche vorsorglichen Massnahmen sieht der Bundesrat bei einer Strommangellage für Menschen mit Behinderungen vor?

Menschen mit Behinderungen könnten sich im Falle einer Strommangellage in diesem Winter mit schwerwiegenden Problemen konfrontiert sehen. Vom Bundesrat kommunizierte Massnahmen wie etwa die Einschränkung der Beleuchtung im öffentlichen Raum oder das Verbot von Rolltreppen könnten massiv einschränken. Zudem würden Menschen mit Behinderungen, die in ihrem Privathaushalt wohnen, bei der Abschaltung von Teilnetzen (Ultima-Ratio – falls alle vorgelagerten Massnahmen nicht genügen) massiv in ihrer Autonomie eingeschränkt. Maya Graf, Ständerätin (Grüne/BL) und Co-Präsidentin bei Inclusion Handicap hat deshalb im September eine Interpellation eingereicht. In seiner Antwort betont der Bundesrat, dass bei einer Strommangellage Menschen mit Behinderungen besondere Aufmerksamkeit zukomme. Die Nutzung eines Aufzugs beispielsweise dürfe nicht verboten werden, wenn es keinen anderen barrierefreien Weg gebe. Im Falle von Netzabschaltungen sieht er die Kantone und Gemeinden in der Verantwortung. Inclusion Handicap hat die am 23.11.2022 veröffentlichten Verordnungsentwürfe konsultiert und festgestellt, dass den besonderen Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen in verschiedenen Punkten ungenügend Rechnung getragen wird. In seiner Vernehmlassungsantwort fordert der Dachverband u. a. die Gewährleistung der sicheren und autonomen Nutzung des öffentlichen Raums für Menschen mit Behinderungen und die Gleichbehandlung von Einrichtungen zur Betreuung von Menschen mit Behinderungen mit Spitälern- oder Alters- und Pflegeheimen. Für allfällige Netzabschaltungen wird eine frühzeitige, proaktive und barrierefreie Kommunikation sowie eine Ansprechstelle gefordert, welche nötigenfalls z. B. auch den Transport zu einem Ort mit gesicherter Stromversorgung sicherstellt. Inclusion Handicap wird die Entwicklungen weiterhin eng verfolgen. ·        


Projekte

Internationaler Tag der Menschen mit Behinderungen

Der 3. Dezember ist Tag von, mit und für Menschen mit Behinderungen. Zu diesem Anlass hat vor rund zwei Wochen auf dem Zürcher Helvetiaplatz eine Kundgebung stattgefunden. Der Wunsch nach Inklusion in allen Bereichen des alltäglichen Lebens war dabei stark spürbar. Sei dies in der politischen Teilhabe, im ÖV oder in der Liebe – Menschen mit Behinderungen wollen gleiche Rechte. «Reporter:innen ohne Barrieren» hat diesen besonderen Tag filmisch begleitet und die Forderungen eingefangen, die so auch in der UN-BRK verankert sind. Die Videoproduktion war sogleich auch Anlass für einen Bericht auf Nau.ch über das Gesamtprojekt. Denn Teil der Forderung von Menschen mit Behinderungen ist auch das Recht auf Mitsprache und somit das Recht auf eine hörbare Stimme. Dafür setzt sich das Projekt ein und folgt der Vision einer inklusiven Medienwelt.


Kanton Bern: Belastungsprobe für das Behinderungsleistungsgesetz

Der Grosse Rat des Kantons Bern hat am 7. Dezember über das neue Behindertenleistungsgesetz debattiert. Es sieht eine Modernisierung des kantonalen Versorgungssystems für Menschen mit Behinderungen vor. Reporterin ohne Barrieren Mirjam Münger war direkt vor Ort mit dabei. In einer Reportage berichtet sie über Inhalt und Verlauf der Debatte. Zusätzlich hat sie mit EVP-Grossrätin Simone Leuenberger über die Ergebnisse gesprochen. Wie Leuenberger zum BLG steht, verrät ein umfangreiches Interview. 


ÖV

Ernüchternder BAV-Standbericht ein Jahr vor Ablauf der BehiG-Frist

Ein Jahr vor Ablauf der BehiG-Frist hat das Bundesamt für Verkehr BAV wie jedes Jahr seinen Standbericht zur Umsetzung des Behindertengleichstellungsgesetzes an Bahnhöfen und Eisenbahn-Haltestellen veröffentlicht. Die Bilanz ist ernüchternd: Bei 541 Bahnhöfen und Eisenbahn-Haltestellen im gesamtschweizerischen ÖV-Netz, werden die geforderten Anpassungen erst nach Ablauf der gesetzlichen Frist umgesetzt. Alleine bei der SBB werden über 300 Bahnhöfe nicht umgebaut sein. Dabei gilt das BehiG bereits seit dem 01. Januar 2004 und verpflichtet die Schweizerischen ÖV-Unternehmen, ihre Angebote bis Ende 2023 barrierefrei zu machen. Inclusion Handicap erwartet von den Schweizerischen ÖV-Unternehmen, ihre gesetzliche Verpflichtung, allen Menschen die autonome Nutzung des ÖVs zu ermöglichen, wahrzunehmen. Dies hat der Dachverband auch in den Medien und in einem Gespräch mit der SBB dezidiert gefordert. Die Artikel dazu finden Sie in unserem Medienspiegel. 


Medienspiegel

Ausgewählte Beiträge mit Inclusion Handicap.