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Handicap und Politik 03/2023

Handicap und Politik 03/2023

In Handicap und Politik 03/2023: Der Ausblick auf die Sommersession, ein Blick auf einen Verfassungsentwurf im Kanton Wallis, das Save-the-Date zur Gleichstellungstagung von Inclusion Handicap und die nächsten Sammelgelegenheiten für die Inklusions-Initiative.


Vorschau auf die Sommersession: Ständerat

Diskriminierungsfreie Rechtsgrundlagen für Triage-Entscheidungen gefordert

30.05.2023; Po. SGK-SR 23.3496: Das Postulat der SGK-SR beauftragt den Bundesrat, aufzuzeigen, wie die rechtlichen Grundlagen für Triage-Entscheidungen in Schweizer Spitälern ausgestaltet werden könnten. Bei Ressourcenknappheit auf Intensivstationen muss die Ärzteschaft eine Triage vornehmen. Insbesondere für Menschen mit Behinderungen besteht das Risiko, bei der Verteilung knapper intensivmedizinischer Ressourcen benachteiligt zu werden. Der Bundesrat soll deshalb insbesondere prüfen, wie sichergestellt werden kann, dass Menschen mit Behinderungen nicht diskriminiert werden. Wegbereitend für das Postulat war eine Motion von Maya Graf, Co-Präsidentin von Inclusion Handicap und Ständerätin (Grüne/BL). Inclusion Handicap hofft, dass der Ständerat seiner Kommission folgt und die Basis für einen besseren Diskriminierungsschutz von Menschen mit Behinderungen bei Triage-Entscheidungen legt.


Schluss mit ungerechtfertigter Kürzung der Hilflosenentschädigung!

06.06.2023; Mo. SGK-N 22.3888: Die Hilflosenentschädigung (HE) von Kindern soll nicht mehr gekürzt werden, wenn Kinder zur Entlastung der Eltern einzelne Nächte in externen Betreuungsangeboten verbringen und die hierfür anfallenden Kosten von den Eltern und nicht von der öffentlichen Hand getragen werden. Der Nationalrat hatte dieser Forderung in der vergangenen Wintersession mit 154 zu 23 Stimmen deutlich zugestimmt. Die Kürzung der HE bei selbstfinanzierten Heimaufenthalten ist nicht gerechtfertigt, da die Eltern die gesamten anfallenden Kosten für Pflege und Betreuung selbst tragen. Für Inclusion Handicap ist klar, dass Hürden für die Nutzung von Entlastungsangeboten abgebaut werden müssen und hofft, dass der Ständerat die Dringlichkeit erkennt, die ungerechtfertigte Kürzung abzuschaffen.


Für eine echte Wahlmöglichkeit – auch im Alter

06.06.2023; Mo. Carobbio Guscetti 23.3222: Die nach dem Rücktritt von Marina Carobbio Guscetti von Mathilde Crevoisier Crelier (SP/JU) übernommene Motion verlangt eine nationale Strategie für die Betreuung und das Wohnen im Alter und bei Behinderung. Nicht nur aufgrund der demografischen Entwicklung kommt der Wohnsituation älterer Menschen mit Behinderungen eine grosse Wichtigkeit zu – die Wahlfreiheit ist insbesondere auch eine zentrale Verpflichtung der UNO-Behindertenkonvention. Für viele Menschen mit Behinderungen ist dies aber noch immer keine Selbstverständlichkeit. Inclusion Handicap unterstützt deshalb die Forderungen der Motion, die verlangt, die Betreuung in den eigenen vier Wänden auszubauen und den betroffenen Menschen so eine echte Wahlmöglichkeit zu bieten.


Wie wird Versorgungslücke bei Kindern mit Geburtsgebrechen verhindert?

06.06.2023; Ip. Michel 23.3210: In seiner Interpellation fragt Matthias Michel (FDP/ZG) unter anderem, welches die gesetzliche Grundlage für die seit 01.01.2022 geltende Regelung des Bundesrats in der Invalidenversicherungsverordnung ist, nach welcher er Mittel und Gegenstände für die Behandlung von Kindern mit Geburtsgebrechen nur noch nach der Mittel- und Gegenständeliste (MiGeL) finanzieren will (mehr dazu im Abschnitt «Sozialversicherungen», unten). Er weist zudem darauf hin, dass die MiGeL den medizinischen Bedarf von Kindern mit Geburtsgebrechen vielfach nicht deckt und möchte vom Bundesrat daher wissen, wie er in solchen Fällen dafür sorgt, dass keine Versorgungslücken entstehen. Inclusion Handicap fordert eine langfristige, bedarfsgerechte Sicherstellung der medizinischen Versorgung für Kinder mit Behinderungen.


Verbandsbeschwerderecht darf nicht eingeschränkt werden

08.06.2023; Geschäft BR 23.024: Im Rahmen der Umsetzung des 4. EU-Eisenbahnpakets ist eine Änderung des Eisenbahngesetztes geplant, die die Beschwerdemöglichkeit der Behindertenverbände massiv einschränken würde. Züge, die auch ins Ausland fahren, sollen demnach zukünftig nicht mehr vom BAV, sondern ausschliesslich von der Europäischen Eisenbahnagentur (ERA) bewilligt werden. Dadurch würde für diese Züge nur noch das EU-Recht gelten – dieses gewährleistet das autonome Reisen von Menschen mit Behinderungen jedoch nicht. Zudem kann das Verbandsbeschwerderecht, welches das BehiG den Behindertenorganisationen einräumt, nur auf Verfügungen des BAV, nicht aber auf Verfügungen der ERA angewendet werden. Beschwerden der Behindertenverbände, wie jene gegen den Fernverkehrszug Dosto, wären bei einer Annahme des Geschäfts nicht mehr möglich. Inclusion Handicap stellt sich daher vehement gegen die Einschränkung seiner in Art. 9 BehiG festgelegten Beschwerdelegitimation.


IV-Renten von Personen mit einer Geburts- oder Frühbehinderung: Anspruch soll auch bei Wohnsitz im Ausland bestehen

12.06.2023; Pa.Iv. Engler 22.491: Stefan Engler (EVP/GR) fordert mit einer parlamentarischen Initiative, dass Personen mit einer Geburts- oder Frühbehinderung ihre ausserordentlichen IV-Renten auch dann ausgerichtet erhalten, wenn sie ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen. Nachdem die Sozialkommission des Ständerats der parlamentarischen Initiative keine Folge gegeben hat, muss nun der Ständerat darüber entscheiden, ob das Anliegen erledigt und somit nicht mehr weiterverfolgt wird. Inclusion Handicap unterstützt die parlamentarische Initiative, denn für die Betroffenen ist es nicht nachvollziehbar, dass sie ihre IV-Rente nicht mehr ausgerichtet erhalten, sobald sie ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen; dies im Gegensatz zu den ordentlichen IV-Renten mit ihrer weit grosszügigeren Exportmöglichkeit. Dieses Unverständnis führt auch regelmässig zu Anfragen bei der Rechtsberatung von Inclusion Handicap.


Sozialversicherungen

MiGeL: Langfristige Versorgung für Kinder mit Geburtsgebrechen muss sichergestellt sein

Für Kinder mit einem anerkannten Geburtsgebrechen finanziert die Invalidenversicherung (IV) medizinische Massnahmen und in diesem Zusammenhang auch Behandlungsgeräte und Verbrauchsmaterial (wie z.B. Beatmungsgeräte). Im Rahmen der IV-Weiterentwicklung wurden per 01.01.2022 unter anderem auch Bestimmungen zu den medizinischen Massnahmen geändert. So legte der Bundesrat fest, dass Behandlungsgeräte und Verbrauchsmaterial für Kinder mit Geburtsgebrechen künftig nur noch gemäss der Mittel- und Gegenständeliste (MiGeL) vergütet werden. Zwischen einer Anbieterfirma und der IV entstanden daraufhin Tarifstreitigkeiten und die Finanzierung offener Rechnungen war nicht mehr gesichert. Das Thema wurde auch in den Medien (NZZ am Sonntag vom 16.04.2023 (externer Link) und Tagesschau vom 16.04.2023 (externer Link) und vom 17.04.2023 (externer Link)) aufgegriffen und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) hat versichert: Die betroffenen Familien müssen vorerst weder die offenen Rechnungen bezahlen noch Leistungseinschränkungen hinnehmen. Am 27.04.2023 äusserte sich der Bundesrat in einer Medienmitteilung (externer Link) zur Angelegenheit. Er wies darauf hin, dass das BSV die IV-Stellen bereits am 14.04.2023 angewiesen hatte, die betroffenen Familien zu kontaktieren und die ihnen von der Anbieterfirma direkt verrechneten Kosten zu vergüten oder zurückzuerstatten. In medizinisch begründeten Fällen werden zudem auch weiterhin die Kosten für Mittel und Gegenstände sowie Dienstleistungen und Verbrauchsmaterial übernommen, die nicht auf der MiGeL aufgeführt sind. Der Bundesrat hat insbesondere eingeräumt, dass die gesetzliche Grundlage für den Verweis auf die MiGeL in der IVV keine genügend gesetzliche Grundlage hat. Die IVV soll daher so rasch als möglich geändert werden. Auch soll eine Prüfung im Einzelfall möglich sein, so dass ausdrücklich auch Behandlungsgeräte finanziert werden, die nicht auf der MiGeL aufgeführt sind. Für Inclusion Handicap ist eine langfristige, bedarfsgerechte Sicherstellung der medizinischen Versorgung für Kinder mit Behinderungen zentral. Die vom Bundesrat angekündigte Änderung der IVV ist daher rasch anzupacken.


Parlamentarische Initiative fordert mehr Fairness bei IV-Gutachten

Medizinische Gutachten sind häufig umstritten. Viele Betroffene fühlen sich nicht fair behandelt. Mit der parlamentarischen Initiative (21.498 (externer Link)) verlangt Nationalrat Benjamin Roduit, dass die IV-Stelle und die versicherte Person sich bei monodisziplinären IV-Gutachten auf eine:n Sachverständige:n einigen. Zudem soll der Ablauf des Einigungsverfahrens den Empfehlungen einer Evaluation entsprechen, die vom EDI zu den medizinischen Begutachtungen in der IV in Auftrag gegebenen wurde. Ein solches Einigungsverfahren ist in anderen Rechtsgebieten (z.B. Haftpflichtrecht) längst Standard. Nachdem die Sozialkommission des Nationalrats der parlamentarischen Initiative im November 2022 Folge gegeben hat, unterstützt nun erfreulicherweise auch die Sozialkommission des Ständerats diesen Schritt in Richtung mehr Fairness bei den medizinischen Gutachten. Nun muss die Sozialkommission des Nationalrats einen Umsetzungsentwurf ausarbeiten, der dann vom Parlament behandelt wird.        


Meldestelle für IV-Gutachten weiterhin geöffnet

Die von Inclusion Handicap seit Februar 2020 eingerichtete Meldestelle, über die Betroffene ihre Erfahrungen bei einem IV-Gutachten schildern können, ist weiterhin offen. Sie richtet sich allerdings nur noch an Personen, die nach dem 1.1.2022 begutachtet wurden (siehe Meldestelle IV-Gutachten).


Tabellenlöhne: Pauschalabzug von 10% deutlich zu tief

Am 5. April hat der Bundesrat seinen Vorschlag für eine fairere Bestimmung des Invaliditätsgrads präsentiert. Weil er die Entwicklung invaliditätskonformer Lohntabellen als zu komplex und zu aufwändig betrachtet, möchte er die bei der Bestimmung des Invaliditätsgrads angewendeten Tabellenlöhne um 10% reduzieren. Gestützt auf eine Studie des Büros BASS (externer Link) ist dies für Inclusion aber deutlich zu wenig. Vielmehr ist umfassend auf die BASS-Studie abzustellen und ein Pauschalabzug muss 17% betragen. Zusätzlich müssen je nach Fallkonstellation zusätzlich noch individuelle Abzüge möglich sein.     Inclusion Handicap wird diese Forderung auch in seiner Vernehmlassungsantwort stellen. Der Dachverband steht interessierten Kreisen für weitere Informationen gerne zur Verfügung. Lesen Sie mehr zum Thema in der ausführlichen News von Inclusion Handicap.


Gleichstellung

Wallis macht in Verfassungsentwurf nächsten Schritt

Der Kanton Wallis legt mit seiner neu entworfenen Kantonsverfassung den Grundstein für die in Bezug auf Menschen mit Behinderungen wohl progressivste Kantonsverfassung der Schweiz. Am 25. April 2023 hat der Walliser Verfassungsrat den Entwurf mit 87 zu 40 Stimmen verabschiedet. Bemerkenswert ist insbesondere, dass der Verfassungsentwurf in Art. 43 keine Einschränkung der politischen Rechte aufgrund einer Behinderung mehr vorsieht. Komplett neu ist zudem der Art. 16 zu den Rechten von Menschen mit Behinderungen. In diesem Artikel wird unter anderem das Recht auf angemessene Vorkehrungen für die Ausübung der Grundrechte festgeschrieben. Der Entwurf wurde nun dem Staatsrat übergeben. Das nächste Wort hat das Volk.


Save-the-Date: Gleichstellungstagung 2023 zu inklusiver Bildung

Das Projekt der inklusiven Schule wird aktuell kontrovers diskutiert – und verlangt von Fachpersonen klare, gut begründete Positionen. Inclusion Handicap freut sich deshalb besonders, zur nationalen Tagung mit dem Hauptthema «Fragestellungen zur inklusiven Bildung aus rechtlicher, politischer und praktischer Sicht» einzuladen. Die Tagung wird in Zusammenarbeit mit der juristischen Fakultät der Uni Basel und dem Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen organisiert und richtet sich an alle mit der Umsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderungen betrauten Stellen sowie an Selbstbetroffene und Ihre Organisationen. Reservieren Sie sich deshalb folgenden Termin:

  • Zeit: Dienstag, 27. Juni 2023, 9.30 bis 17.00 Uhr
  • Ort: Aula im Kollegienhaus der Universität Basel

Online-Anmeldung unter folgendem Link:
Link zur Anmeldung (externer Link)


Politische Vorhaben

Inklusions-Initiative ist lanciert – das sind die nächsten Top-Sammelgelegenheiten!

Am 27. April 2023 wurde die Inklusions-Initiative erfolgreich lanciert. Lesen Sie mehr in den zahlreichen Medienbeiträgen in unserem Medienspiegel! Nun gilt es: Unterschreiben, Sammeln und mit Freund:innen und Familie über die Initiative sprechen! Alle nötigen Informationen und Unterlagen zur Initiative finden Sie auf unserer Website. Weitere Informationen finden Sie zudem auf der Website www.inklusions-initiative.ch (externer Link). Untenstehend listen wir noch die nächsten grösseren Anlässe auf, die sich hervorragend zum Sammeln eignen:

  • 14.06.2023: Feministischer Streik, Basel, Zürich, Biel etc.
  • 18.06.2023: Abstimmungssonntag National
  • 10.08.2023: Buskers, Bern
  • 09.09.2023: Nationaler Sammeltag der Inklusions-Initiative (Informationen folgen)

Projekte

Reporter:innen ohne Barrieren berichten von der Lancierung der Inklusions-Initiative

Ein solch besonderer Moment wollte sie sich nicht entgehen lassen: Lea Mettler stand am Mittag des 27. April 2023 auf dem Vorplatz des Berner Progrs, um die Lancierung der Inklusions-Initiative mitzuerleben. Von den Unterschriften-Sammler:innen wollte sie dabei wissen, welche Beweggründe hinter der Teilnahme an der Aktion stecken. Ihre Eindrücke hat die Reporterin ohne Barrieren in einer Reportage niedergeschrieben. Die Reportage finden Sie hier:


Medienspiegel

Ausgewählte Medienbeiträge mit Inclusion Handicap.